AgiL stellt vor | Genuss zum Mitnehmen

Seit August stellen wir Ihnen jeden Monat ein Best Practice Beispiel für spannende, exemplarische Kooperationsprojekte entlang von regionalen Wertschöpfungsketten der Land- und Ernährungswirtschaft vor. Die Beispiele stammen zunächst bewusst aus anderen Bundesländern Deutschlands und sollen als Inspiration für Akteur:innen aus Sachsen dienen. Diesen Monat stellen wir vor: „Genuss zum Mitnehmen“ und „GENUSSZEIT Aus dem Havelland”. Wir sprachen mit Matthias Kühn, Geschäftsführer des Tourismusverband Havelland e.V.

„Genuss zum Mitnehmen kann man auch als Box bestellen (Bild: Tourismusverband Havelland e.V., Steven Ritzer)

Im Havelland hat sich über die letzten Jahre ein Netzwerk aus Gastronom:innen, Beherbergungsbetrieben, Hofläden und Erzeuger:innen zusammengeschlossen, die Wegzehrung für Reisende, Besucher:innen und die lokale Bevölkerung anbietet. Der „Genuss zum Mitnehmen“ beinhaltet Süßes, Herzhaftes und ein Getränk und alles hat möglichst einen regionalen Bezug zur Havelregion oder dem Land Brandenburg. Mit der Geschenkbox „Genusszeit“ bieten zehn verschiedene regionale Produzent:innen außerdem einen kulinarischen Einblick in das Havelland.

Was gab den Impuls zur Gründung der Initiative?

Anstoß war ein LEADER-Kooperationsprojekt in der Havelregion, bei dem eine Vernetzung von Tourismus und regional Produzierenden stattfand. Wir haben überlegt, wie man regionale Produkte und Produzent:innen in die Hofläden, den lokalen Einzelhandel, aber auch in die touristischen Betriebe bekommt – wie beispielsweise der ansässige Brauer auch der hiesigen Gastronomie sein Bier zur Verfügung stellen kann. Dann haben wir uns gefragt: Wie bekommen wir regionales Frühstück ins Hotel und wie den Tourismus mit den Produzent:innen zusammen? Dabei mussten wir natürlich auch festlegen, was für uns eigentlich „regional“ bedeutet und wer unsere Zielgruppe ist – der Tagestourist oder der Tourist, der für einen längeren Urlaubsaufenthalt bleibt.

Im LEADER-Kooperationsprojekt haben viele starke Partner an einem Strang gezogen, wie beispielsweise die Kreisbauernverbände, zwei Städte und Landkreise sowie zahlreiche regionalansässige Unternehmen und Akteur:innen. Zusammen haben wir das Projekt „Regionale Produkte und Vernetzung im Tourismus“ umgesetzt und das Label „Aus dem Havelland“ hervorgebracht.

Welche Projekte werden im Rahmen der Initiative konkret umgesetzt?

Der Wunsch war und ist es, den Gästen und der lokalen Bevölkerung zu zeigen, was es für tolle Produkte im Havelland gibt. Außerdem kam der Wunsch auf, unsere regionalen Leckereien auch zum Mitnehmen bereitzustellen – der Grundstein für den „Genuss zum Mitnehmen“ und für die „GENUSSZEIT Box“ waren gelegt.

Ziel des 2021 gelaunchten Projektes „Genuss zum Mitnehmen“ war es, dass unsere Gäste an unterschiedlichen Orten in der Havelregion einen „Genuss zum Mitnehmen“ erhalten. Dabei sollten Fahrrad- und Wanderstrecken sowie Veranstaltungen durch die Verfügbarkeit regionaler Köstlichkeiten aufgewertet werden. Das Projekt haben wir zunächst exemplarisch an der Fontane.Rad-Route installiert. Dafür haben wir geschaut: Welche Versorgungsmöglichkeiten entlang der Route gibt es bereits? Wo bestehen Engpässe? Wo können wir auf regionale Produkte aufmerksam machen, damit der Gast gut versorgt in die nächste Reiseetappe startet? Hierzu wurden eigens „Genusstüten“ kreiert, die auch visuell wieder mit den Sehenswürdigkeiten in der Havelregion in Verbindung gebracht werden können.

Ursprünglich sollten auch noch „Havelmaten“ (Automaten mit regionalen Produkten aus dem Havelland) im gleichen Design entlang der touristischen Wege eine weitere Möglichkeit bieten, die Tüten und das Angebot der Versorgung unterwegs ausbauen. Leider ist aufgrund personeller Engpässe das Projekt aktuell etwas im Dornröschenschlaf. Sobald es die Kapazitäten wieder zulassen, werden wir den Faden wieder aufnehmen.

Im Zuge der Überarbeitung des eigenen Corporate Designs des Havellandes, gab es dann in 2021 auch eine überarbeitete Variante der Regionalen-Produkte-Karte. Sie zeigt eine Übersicht der verschiedenen Stationen mit Lebensmittelbezug in der Reiseregion:  Automaten, Hofläden, Produzent:innen und viele weitere. Wir haben auch die „Aus dem Havelland“- Produktaufkleber überarbeitet und so für unterschiedliche Produkte passende Vorlagen parat. Mittlerweile macht es eine einheitliche Bildsprache dem Besucher auch visuell möglich, Produkte aus dem Havelland zu erkennen.

Die Idee zur „GENUSSZEIT Box“ haben wir 2022 umgesetzt. Wir sind zunächst mit zehn sehr unterschiedlichen Produkten in einer Box gestartet. Jedoch haben wir im Prozess gelernt, dass beispielsweise eine Salami super in die Box passt, aber so geruchsintensiv ist, dass andere Produkte vom Geruch übertüncht wurden. Stattdessen kam dafür der Kaffee – geröstet in der Region –  dazu. Über 1.000 Boxen konnten wir bereits verkaufen und so für die Region, ihre Anbieter:innen und deren Produkte Werbung machen. Der Wunsch nach einer preisgünstigeren Variante ließ uns außerdem die 35-Euro-Box launchen. Zusätzlich zum leichteren Gewicht bietet die Box auch steuerliche Vorteile für Geschäftskund:innen: Ein beschenkter Geschäftspartner darf nämlich Geschenke bis 35 Euro auch steuerfrei entgegennehmen.

Welchen Stellenwert hat Regionalität in Ihrem Handeln?

Wenn „Aus dem Havelland“ draufsteht, muss auch „Aus dem Havelland“ drin sein. Das heißt, der Zander stammt dann auch aus der Havelregion. Generell ist uns wichtig, dass das Produkt im Havelland hergestellt oder die Rohware daraus bezogen wird. Dass der Kaffee aus der lokalen Rösterei natürlich nicht im Havelland wächst, ist aber auch in Ordnung. Ebenso beim Hopfen fürs Bier und ähnlichen Produkten.

Wo sehen Sie das Projekt in den nächsten Jahren

Unser konkretes Ziel ist es, unsere „Genusszeit-Boxen“ und vor allem das „Aus dem Havelland“-Label präsenter in der Region zu etablieren. Die Verteilung der Boxen ist aber in der Praxis oft gar nicht so einfach umsetzbar. Denn die Boxen wiegen fünf bis sieben Kilo und die trägt man nicht mal einfach so mit sich herum. Wir haben aber auch Ideen für weitere Themenboxen, beispielsweise eine Wellness-Box oder auch eine Wurst- oder Herzhaftbox. Der Vertrieb über die Unternehmen und Hofläden, deren Produkte in der Box sind, soll ausgebaut werden und wir wollen einen Partner finden, der den aufwändigen Logistikpart übernehmen kann. Allerdings ist das Projekt aktuell eher als Wirtschaftsförderung anzusehen, Geld verdienen wir damit nicht.

Welche Tipps geben Sie anderen Akteur:innen mit?

Man muss von Anfang an bedenken, wen man wirklich ansprechen will – Geschäftskund:innen, Tourist:innen oder doch die lokale Bevölkerung? Sollen sie im Hofladen oder im Einzelhandel einkaufen? Außerdem gibt es viele weitere Fragen zu klären. Zum Beispiel: Welche Erwartungen habe ich an die Partner und welche Erwartungen haben die Partner an das Projekt? Muss das Gemeinschaftslogo auf allen Etiketten aufgedruckt sein, um am Projekt teilzunehmen oder soll das freiwillig bleiben?

Ansonsten ist es wichtig, gerade bei Projekten die ökonomische Nachhaltigkeit ab Beginn mitzudenken. Am Anfang werden alle Beteiligten automatisch mitgenommen, aber wenn nach der Förderphase das Projekt selbständig weiterlaufen soll, muss auch dann mindestens eine Person (oder Institution) alles weiter begleiten. Es hilft, diese Herausforderung von Anfang an zu kommunizieren und einzuplanen, sonst verpuffen gute Ideen nach Projektende und die Akteur:innen sind frustriert.


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